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der deutschen Sprache    
Rechtschreibdienst: Presseerklärung 2019 Presseerklärung 2019
Schreibreform 1995
Als die Kultusministerkonferenz 1995 die Einführung neuer Schreibregeln an den Schulen zum Schuljahresbeginn Mitte 1996 beschlossen hatte, regte sich jahrelang großer Widerstand. Auch die Husumer „Palette“ widmete sich eingehend der Frage „Wem gehört die Sprache?“. Denn die Kultusminister hatten etwas in die Welt gesetzt, dessen Auswirkungen wir schnell zu spüren bekamen und heute beklagen: die nachlassende Schreib- und Sprachfertigkeit der Schulabgänger.

Freiwillige Übernahme
Der Staat besitzt höchstens die Macht, in der Schule und der Verwaltung die Schreibregeln festzulegen. Freiwillig wurde die Reformschreibung allerdings auch von vielen Buch-, Zeitschriftenverlagen und Unternehmern aller Wirtschaftsbereiche übernommen. Die Leistungen im Schulfach Deutsch ließen nach, und die Nachrichtensprecher verlernten ihr Deutsch, wußten die richtige Betonung nicht mehr, weil zusammengehörende Wörter getrennt geschrieben waren, Kommas fehlten und so weiter.

„Nachbesserungen“
Der Widerstand der Sprachpraktiker gegen das 1995er Regelwerk der Sprachtheoretiker führte zur Bildung des Rates für deutsche Rechtschreibung, dem leider nur wenige Reformgegner angehören durften. Dieser Rat hat in bisher drei Abschnitten von 2004 bis 2011 viele Schreibregeln der 95er-Reform zurückgenommen, aber leider auch Wahlmöglichkeiten zwischen alt und neu gelassen. Das Ergebnis ist eine große Verwirrung, wie richtig zu schreiben ist. Dadurch wurde das Lernen wiederum beeinträchtigt, und die Verständlichkeit des Geschriebenen hat weiter gelitten.

Widerstand in Schleswig-Holstein
Gehen wir gedanklich zurück in die neunziger Jahre. Die Regel der Reformdurchführung besagte, daß die Zustimmung aller deutschsprachigen Länder erforderlich war. Beteiligt waren also Belgien, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Rumänien, die Schweiz und die 16 Bundesländer in Deutschland. Die Kultusminister waren einverstanden, nicht aber das Volk. In Schleswig-Holstein stimmte beim Volksentscheid 1998 die ausreichend große Anzahl Menschen mit Nein zur Schreibreform in den Schulen, und die bewährte Rechtschreibung wurde wieder eingeführt. Dieser Volksentscheid hätte die im übrigen Sprachgebiet bereits umgesetzte Reform rückgängig machen müssen, da im gesamten deutschsprachigen Gebiet nur eine Schreibung gelten sollte.* Ministerpräsidentin Heide Simonis, SPD, verdrehte jedoch einfach die Sachlage und behauptete, wir könnten nicht in einem Land anders schreiben als im übrigen Sprachgebiet. Daher setzte sie in einer Allparteienkoalition aus SPD, CDU, F.D.P., den Grünen und dem SSW (Südschleswigscher Wählerverband, d. h. Vertretung der Dänen!) den Volksentscheid am 17. September 1999 außer Kraft und beschwichtigte uns Erwachsene noch, wir wären ja gar nicht davon betroffen, sondern es ginge nur um die Schulen.

Reformschreibung ist nicht Rechtschreibung
Im „Rebellenland“ Schleswig-Holstein schreiben viele Menschen immer noch nach den alten Regeln. Dies brachte nun im Sommer 2019 einige Sprachbewegte auf den Gedanken, an die bedeutenden Vorgänge Ende der neunziger Jahren zu erinnern, besonders an den Widerstand gegen die Reform, und für die richtige Schreibung zu werben. Denn im Unterschied zu Reformschreibung verstehen sie unter Rechtschreibung die besten Regeln zum verständlichen Aufschreiben unserer Sprache. Dies leistet nur das Regelwerk, das nach der Vereinheitlichung der deutschen Schreibweisen 1901 (und eingeführt 1902) – Konrad Duden war daran beteiligt - im 20. Jahrhundert gereift ist. Demgegenüber wurde die Reformschreibung des Jahres 1995 samt Nachbesserungen künstlich entwickelt und willkürlich eingeführt.

Vorbereitung auf den „Tag der Rechtschreibung“
Sprachgebietsweite Vorbereitungen vom Herbst dieses Jahres an sollen dazu führen, im nächsten Jahr am 27. September, dem Tag des gelungenen Volksentscheides im Jahr 1998, erstmals den Tag der Rechtschreibung mit Versammlungen zu begehen. Dieser Gedenktag für die Rechtschreibung soll das Bewußtsein für unsere hochstehende Sprache mit ihren bewährten Schreibregeln wachhalten. Kenner und berufliche Anwender dieses guten Deutsches werden schon jetzt aufgerufen, stärker auf sich aufmerksam zu machen, damit junge Menschen nach dem Ausbildungsende Unterstützung finden, wieder richtiges Deutsch zu lernen. Gesucht werden auch Verlage, die nach den bewährten Regeln drucken. Als Erkennungszeichen dieser Rechtschreibung springt das ß in vielen Wörtern ins Auge. Es gehören auch die eindeutige Kommasetzung und richtige Wortbildung wie „schönreden“ neben „schön reden“ dazu.

Weiterlesen und mitwirken
Im Internet werden Ergebnisse dieser neuen Bewegung zur Vorbereitung auf den Tag der Rechtschreibung 2020 bei rechtschreibdienst.de, in Foren und Blogs veröffentlicht. Ansprechpartner sind Sigrid Saxen in Husum und Thomas Pankauke in Soest, Nordrhein-Westfalen.
17. September 2019

* Ergänzt am 3. September 2023: Dies gab die Zeitung Die Welt" am 5. September 1997 als Aussage des damaligen SPD-Bundesgeschäftsführers Franz Müntefering wieder: „Sollte ein Land ausscheren, wäre die Reform gescheitert“, auch zu lesen bei Rechtschreibung.com, eingetragen am 30. August 2023 unter „Forum", Bereich „Rechtschreibforum".

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Ludwig Reiners:
Von der Verfassung,
in der sich eine Sprache befindet, hängt es ab, was in ihr gedacht und gesagt wird.“ (in: Stilkunst – Ein Lehrbuch deutscher Prosa, Ersterscheinung 1961)

Zum Tag der Rechtschreibung am 27. September

Die Umfrage, nach welchen Regeln "wir" schreiben, ist seit dem 2. Januar 2020 abgeschlossen und wird nach Spendeneingang weiter ausgewertet.

Der Teil „Rechtschreibung“ eines Vortrages vom 8. August 2019